Stell Dir vor Deine Gruppenmitglieder und Du stehen vor einer schweren Entscheidung. Langwierige Gruppendiskussionen, laute und muchsmäuschenstille Teilnehmer, unsachlicher Streit, Frontenbildung und interne Machtstrukturen. Klingt frustrierend? Stimmt.
Aber genau das passiert täglich in Unternehmen, Vereinen, Familien und Freundesgruppen. Am Ende ist niemand wirklich zufrieden und keiner übernimmt die Verantwortung. Das geht besser.
Laut Definition bedeutet Konsens Einwilligung und Zustimmung. Er geht auf das lateinische “sentire” zurück, was interessanterweise sowohl “fühlen, empfinden” als auch “meinen, denken, Einsicht haben” bedeutet.
Ein Konsens entsteht, wenn alle Gruppenmitglieder Einigkeit über die Übereinstimmung ihrer Meinungen erzielt haben.
Anders ausgedrückt: Die Lösung, die keinen Einwand und Widerstand der Gruppenmitglieder hervorruft, ist Konsens.
Um Konsens zu finden und in einer Gruppe zu bilden, kannst Du systemisches Konsensieren anwenden. Das ist eine etablierte Methode (nach Visotschnig und Schrotta) zum Treffen von nachhaltigen und tragfähigen Entscheidungen in Gruppen.
In Deiner Gruppe wird die genaue Fragestellung, die entschieden werden soll, ermittelt. Geeignet sind alle Fragen, die mehr Antworten außer Ja und Nein verdienen,
Zum Beispiel: Wo verbringen wir unseren nächsten Urlaub? Wie organisieren wir die Sitzordnung im Büro? Was können wir gegen die Feinstaubbelastung unternehmen?
Nun werden alle Rahmenbedingungen der Entscheidung kommuniziert. Das sind die Dinge, die die Gruppenmitglieder nicht ändern können: die Brandschutzordnung im Büro, die Auswirkungen auf Sitzordnung hat, oder das Urlaubsbudget der Familie.
Außerdem vereinbarst Du mit Deiner Gruppe eine Passivlösung, die besagt, dass sich nichts ändert und alles so bleibt, wie es ist.
Jetzt werden Lösungsvorschläge gesammelt. Dabei kommen alle Wünsche, Bedenken und Argumente auf den Tisch.
Alle Lösungsvorschläge stehen unkommentiert und gleichberechtigt nebeneinander und inspirieren zu weiteren Lösungsvorschlägen. Die Passivlösung ist ein Lösungsvorschlag.
Einige Lösungen gefallen Dir gut, bei anderen Lösungsvorschlägen regt sich Widerstand in Dir. Den anderen Teilnehmern an der systemischen Konsensierung geht es genauso.
Deshalb vergeben alle in der Abstimmungsphase ihre individuellen Widerstandspunkte. Null Widerstand steht für die größte Akzeptanz, zehn Widerstandspunkte hingegen dafür, dass Du einen Lösungsvorschlag absolut nicht mitträgst.
Alle Widerstandspunkte werden addiert und durch die Anzahl der Abstimmenden geteilt. So entsteht eine Ergebnisliste.
Der beste Lösungsvorschlag ist der, der in der Gruppe den wenigstens Widerstand, das heißt die größte Akzeptanz, hervorruft.
Die Passivlösung ist ein guter Indikator dafür, ob etwas verändert werden soll oder nicht.
Die Methode des systemischen Konsensierens stammt von dem österreichischen Mathematiker Erich Visotschnig und dem Systemanalysten Siegfried Schrotta, die das sogenannte SK-Prinzip erfunden und entwickelt haben.
Ihr Ziel war es, aufbauend auf der gewaltfreien Kommunikation (GfK), mehr Kooperation in der Gesellschaft zu ermöglichen und damit einhergehend Konflikte zu reduzieren.
Denn ein Mehrheitsentscheid führt immer dazu, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Verlierer kooperieren nicht gern mit Gewinnern.
Schwarz-Weiß-Entscheidungen führen zu Spaltungen in Gruppen, inneren Kündigungen am Arbeitsplatz und unentspannten Urlauben, kurzum zu Frust, Streit und Konflikten.
Beim systemischen Konsensieren ist das Entweder-oder systemisch ausgeschlossen, es gibt weder Gewinner noch Verlierer.
Systemisches Konsensieren wirkt doppelt gegen Konflikte. Zum einen erzeugt die Methode kreative Lösungen, die alle akzeptieren. Nicht der stärkste oder lauteste Vorschlag erzeugt den geringsten Widerstand, auch nicht der vom Chef.
Wohl aber der, der alle Interessen der Gruppenmitglieder berücksichtigt und nivelliert. Gleichzeitig legt systemisches Konsensieren den Finger in die Wunde und fragt gezielt, warum ein Lösungsvorschlag Widerstand erzeugt. So kommt das Team ins Gespräch und löst Konflikte.
Stundenlange Diskussionen, in denen sich jeder profiliert, unsachlich wird und bei denen am Ende die Entscheidungsfindung vertagt wird?
Das gibt es beim systemischen Konsensieren nicht, weil sich die Gruppendynamik durch das Entscheidungsverfahren ändert und die Wertschätzung des Einzelnen gefördert wird.
Hidden Agendas sind dadurch ebenso ausgeschlossen wie hierarchische Strukturen. So entsteht Freude am gemeinsamen Entscheiden im Team und Motivation bei der Umsetzung der Entscheidung.
“Für den größten gemeinsamen Nenner”
(Georg Paulus, Traumfirma)
Den Widerstand auf einer Skala von null bis zehn zu messen, erlaubt ein differenziertes Bild, was bei schweren Entscheidungen hilfreich ist.
Manchmal ist das jedoch nicht nötig, zum Beispiel, wenn es um eine Stimmungslage oder einen Grundkonsens geht. Oder aber, wenn es noch schneller gehen muss.
Dann reichen drei Kategorien aus: Ich bin einverstanden, ich habe Bedenken und ich habe starken Widerstand.
Wozu das Ganze online? Der Vorteil ist, dass alle Lösungsvorschläge anonym sind, sodass es keine gruppendynamischen Verzerrungen gibt, weil der Chef oder der Platzhirsch im Verein mitmachen.
Außerdem hast Du mehr Zeit für Kreativität und musst nicht auf Knopfdruck im Teammeeting Ideen produzieren, sondern kannst auch die Ideen, Argumente und Wünsche berücksichtigen, die nach dem Meeting entstehen.
Und: Jetzt kannst Du auch mit Gruppen konsensieren, die nicht vor Ort sind, keinen Termin finden oder zu groß sind, um in einen Besprechungsraum zu passen.
Quarks & Co. Beitrag zum Systemischen Konsensieren: Zahlen statt Kreuzchen